Marcela Böhm: Was sich nicht verändert (2019)

Marcela Böhm. Was sich nicht verändert.
16. März – 27. April 2019
Eröffnung: Freitag, 15. März 2019, 19 Uhr

Man kennt die Geschichte von Dorian Gray, dessen immer bösartiger werdenden Gemütsbewegungen Spuren auf seinem gemalten Portrait, nicht aber in seinem Gesicht und auf seiner Haut hinterlassen, so dass auch der Gealterte noch mit strahlenden Jünglingszügen glänzt. Die charakterliche Veränderung spiegelt sich ausschließlich in seinem Bildnis.
Das ist gerade die Antithese zu Marcela Böhms „Was sich nicht ändert“. Ursprünglich hat sich Böhm zu diesem Titel von einem Lied von Mercedes Sosa inspirieren lassen, in dem es heißt: „Alles verändert sich, so wie ich mich in diesem fremden Land verändere. Was sich nicht verändert, ist die Liebe und der Schmerz und die Erinnerungen an mein Land und an meine Leute.“ Aber es sind doch auch die Gefühle und die Erinnerungen, die einem ständigen Wandel in der Wahrnehmung ausgesetzt sind. Was einzig bleibt und sich eindeutig nicht verändert ist das Bild, hier also das Gemälde. Darauf ist Verlass.

Marcela Böhm kam mit 21 Jahren aus Buenos Aires nach Deutschland, um Kunst zu studieren, und sie ist geblieben. Mit der Mutter aus Argentinien und dem Vater aus Deutschland hatte sie aber von Geburt an eine Mittelstellung zwischen beiden Ländern, die sich wiederkehrend auch in ihren Malereien bezeugen läßt. Ihre Bilder sind Momentaufnahmen erlebter Situationen, die oft beiläufig skizziert sind. Tafel- und Alltagsszenen, spielende Kinder und Swimming Pools, Architekturen (meist aus Buenos Aires), Interieurs, Portraits: Böhm zeigt uns ihren sehr eigenen Blick auf Vertrautes und weniger Vertrautes, und blendet das Abgründige dabei nicht aus.
So blickt der alternde Mann unseres Titelbildes verloren auf die trostlosen Fassaden gegenüber. Unser Blick öffnet sich auf eine geordnete Küche, ein paar anspruchslose Grünpflanzen und Kakteen, und einen Wäscheständer mit nassen Handtüchern. Der Mann steht auf der Schwelle seines Balkones, als würde er ungestört das Geschehen der Stadt beobachten wollen, ohne selbst gesehen zu werden. Es herrscht eine Stimmung der Melancholie, die durch den Titel „Gestern Verloren“ noch gestützt wird: Es liegt nicht fern, hier einen Mann zu sehen, der seine Einsamkeit mit Ablenkungen wie vielleicht dem Wettspiel zu unterdrücken sucht. Wem das zu weit greift: Marcela Böhm bietet stets viele Deutungsoptionen, zumeist ist aber ein beunruhigendes, existenzielles Element enthalten, das eine glatte und harmonische Lesart ausschließt. So formulierte der Kurator Martin Engler:
“Dass wir uns mit der Malerin nie zwischen Traum und Alptraum entscheiden können, macht die Qualität dieser Malerei aus. Das Vertraute wird fremd und unerreichbar, das Alltägliche bedrohlich und ungewohnt. … Die Malerei Marcela Böhms ist in dieser Lesart in ihrer Schönheit ebenso wie in ihren abrupten, teils brutalen Brüchen ein beständiger Kampf um Sichtbarkeit – um Bilder, anhand derer wir uns unserer Geschichte und unserer selbst versichern können.” – Insofern scheint aber in den alltäglichen und besonderen Szenerien und Figuren in ihren Arbeiten nichts weniger als auch ihre eigene Geschichte auf.

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CV Marcela Böhm